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Dienstag, den 15. Februar 2011 um 18:13 Uhr

Die Filiale ist tot. Lang lebe die Filiale!

Geschrieben von  connormarc

Neuerdings scheint es Menschen ein persönliches Anliegen zu sein, den bevorstehenden Tod der Bankfiliale zu prognostizieren. Eher gemäßigte Töne sprechen parallel, wenn auch nicht gleich in Form eines „Abgesangs“ , dann aber zumindest von einer Transformation in eine wie auch immer geartete „Science-Fiction“-Filialversion, in der Ledersofas (bzw. Lounge-Inventar allgemein) und elektromatische Touch-Vorrichtungen eine wesentliche Rolle spielen. Ich höre es klingen: Hinter den Türen der Filialen – der Muff von jeder Menge Jahren.

 

 

 

 

Willkommen in der (neu) entfachten Diskussion um die Zukunft der Bankfilialen oder wenigstens das Ende der Filialen, wie wir sie kennen und zu der ich auch meinen bescheidenen Beitrag leisten möchte: Die Filiale ist tot. Lang lebe die Filiale!

 

Die Zukunft der Bankfiliale wird, meiner Beobachtung nach, aus mehreren Perspektiven diskutiert:

 

- Die Filiale wird grundsätzlich nicht überleben

 

- Die Filiale wird in ein „neues“ Gewand gekleidet und in einem bankingästhetisch modernisiertem Licht erscheinen

 

- Die Filiale wird nicht nur ihren „look“ verändern sondern auch oder vor allem eine auf technischen „Innovationen“ basierende Aufbruchstimmung verbreiten

 

Boris Janek, der sich in seinem Blog u.a. Gedanken über die Zukunft von Bankfilialen, gerade auch in Bezug auf deren Attraktivität für Jugendliche gemacht hat, prognostiziert:

 

"Wenn junge Menschen überhaupt noch die Bankfiliale besuchen sollen, dann wird sich diese vollständig verändern müssen. Mehr Self Service oder Banking on the go Angebote werden nötig werden. Die Ausstattung und Einrichtung von Filialen wird sich verändern. Neue erweiterte Nutzungsmöglichkeiten werden gefordert. Es gibt nicht mehr nur einen Filialtyp sondern gleich mehrere. Die eigentliche Dienstleistung der Bank rückt in den Hintergrund und findet im Separee statt."

 

Hier klingt sie im Ansatz an, die Vorstellung einer Lifestyle-Filiale, in der dann in vielen Fällen das Ledersofa als stereotypes Attribut für „style“ dient. Und demzufolge ähneln sich für mich Bilder von unseren „Filialen der Zukunft“ auffällig: Holz und die Grundaussagen der Bauhaus-Philosophie was die „guten“ Möbel angeht, kombiniert mit elektromatischen Touch-Elementen. In dieser Sache bringt einen die Google-Bildsuche nach der "Bankfiliale der Zukunft" also in ästhetisch vertraute Gefilde.

 

Aber Boris Janek geht an anderer Stelle weiter:

 

"Dabei sollte man Zukunft jedoch nicht mit Technologie verwechseln. Sie spielt sicherlich eine Rolle. Aber in erster Linie muss die Bank ihr Verhältnis zum Kunden bzw. zum Verbraucher überdenken und seinen (vielleicht sogar unbewussten) Erwartungen entsprechen."

 

Diese Vorstellung greift nun schon ein Stück weit in die Zukunft, lässt das Ledersofa vielleicht doch eher als ein blasses Accessoire erscheinen und relativiert ganz nebenbei noch die Bedeutung von Technologie. Das ist schon nicht wenig gewagt wenn man bedenkt, mit welchen hochtechnologischen Neuerungen uns Banken zukünftig in die Filialen leiten möchten. Was das angeht, so lässt uns ein Tier ,aka Bausparfuchs, schon heute erahnen, wohin die Reise in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren gehen könnte:

 

"Wie verspielte Jungs testen erwachsene Männer die Kamera des „intelligenten“ Schaufensters und sind dann beinahe enttäuscht, wenn das System ihr wahres Alter erkennt und Produkte für die Altersvorsorge vorschlägt."

 

und:

 

"Der Kunde wird an einem Tisch mit Touch-Screen durch interaktive Darstellungen – Grafiken können beispielsweise mit dem Finger in die Richtung des Kunden gedreht werden – noch stärker in das Gespräch einbezogen: abstrakte Finanzprodukte werden so erlebbar gemacht."


Und noch in Kombination mit weiteren Einrichtungsgegenständen:

 

"In der Filiale der Zukunft steht auch eine gemütliche Couchecke, die mit allerhand Technik angereichert wurde."

 

Eines ist klar: Das erste Schaufenster, das mir altersgemäß Produkte anbietet bekommt unbefristete Schweigepflicht auferlegt und ich sehe schon das Gesicht des Bankers vor mir, wenn ich gerade meinen Kaffee auf dem neuen Touchtisch verschütte während sich Kinder vergeblich darum bemühen, dem Ledersofa Wohnlichkeit abzugewinnen.

 

Zurück zu Boris Janek und seiner Vorstellung einer Bankfiliale, die sich durch eine veränderte Kunde-/ Bankbeziehung vielleicht sogar wie von selbst konzipiert und entwickelt und die man nicht unter Anwendung von „Zwangskubismus“ oder „Zwangsfuturismus“ in ein (zu) enges Korsett stecken muss, um ihr danach mit jeder Menge High-Tech-Accessoires zu Leibe zu rücken.

 

Und wenn man sich mit diesem Gedanken einer intensivierten und authentisch wachsenden Beziehung zwischen Kunde und Bank anfreunden kann, wird die Spannbreite der Zukunftsfiliale wieder breiter. Einer flexiblen Kinderbetreuung in der Filiale, wie sie die Kieler Volksbank anbietet, folgen die passenden Möbel ohnehin von allein.

 

Die Filiale der Zukunft als regionaler, kooperativer Standort in Sachen Bildung? Warum nicht, sofern sich das Konzept nicht ausschließlich auf „Sparerziehung“ reduziert sondern u.a. das Wissen um die Funktionsweise des Bankwesens insgesamt als Bildungsziel definiert und Zusammenhänge zwischen Filialen, Rechenzentren und deren Anschluss an die globalen Finanztransfers nachvollziehbar macht. Es muss ja nicht gleich der erlebnisorientierte Schulausflug ins nächstgelegene Rechenzentrum sein um das Wunder der Technik zu begreifen, auch wenn die zahlreichen Schutzzonen und Überwachungskameras diesen nicht wenig abenteuerlastig gestalten.

 

Dann die Filiale als Treffpunkt, um in einem technikpartizipatorischen Prozess Einfluss zu nehmen auf Produkte, die Banking in Zukunft hervorbringen könnte, sei es nun ein Mikrofundraising-Instrument im Zentralrechner oder meinetwegen auch das sprechende Schaufenster. Die Geschmäcker sind hier ja glücklicherweise verschieden. Aber wie gesagt: Wehe dem „Beratungsglas“, das mir die Rentenanlage aufs Auge drücken möchte während ich nichtsahnend mit meiner 30 Jahre jüngeren Freundin durch High-Tech-City bummel...

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