Du bist hier: Home - Tagebuch - Der beschwerliche Weg zum Bankkunden der Marke „Selbst“
Sonntag, den 04. Dezember 2011 um 08:47 Uhr

Der beschwerliche Weg zum Bankkunden der Marke „Selbst“

Geschrieben von  connormarc

Immer mal wieder frage ich mich, wo Mikrospenden-Sammelsysteme im Friedrich „Fritz“ Schumacher-Universum heutzutage verortet werden können bzw. ob sich der Mann, der vermutlich bis zu seinem Tode der Meinung war, dass der Mensch klein und klein schön bzw. das „small“ eben „beautiful“ sei, den Mikrospenden-Gedanken mitgetragen hätte. Schumachers Lebenswerk drehte sich auch um Begriffe wie „Mass“ und „Vernunft“ in Verbindung mit eher dezentralen Prozessen. Nanotechnologie betrachtete er skeptisch, habe ich gehört. Alles in Allem bin ich also der Meinung, er hätte zentralregionale Mikrospenden-Sammelsysteme gemocht.

 

 

 

Technologie hat Schumacher fasziniert und die Entwicklung und den Einsatz von sog. „angepasster Technologie“ verfolgte er konsequent.

 

"Er meinte damit eine Technologie, die klug und raffiniert ist aber geringe Investitionen braucht, die reparaturfreundlich ist, den Menschen lokal hilft und zu ihren Gegebenheiten passt. Er war für Dezentralisierung und für Überschaubarkeit weil er erkannte, dass nur in überschaubaren Strukturen Verantwortung tragbar ist."

 

Menschen die sich, in lokalen Bezügen agierend, Schritt für Schritt und mittels dafür "angepasster Technologie" von wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten lösen bzw. Menschen, die in diesem Zuge eine Ausweitung der „3 großen Selbst“ (Selbstentwicklung, Selbstverwaltung, Selbstversorugung) erfahren. Prozesse wie diese hat Schumacher als förderlich für das Zusammenleben erkannt.

 

Nun wird das Konzept der „angepassten Technologie“ in (zu) vielen Fällen in erster Linie mit dem Einsatz in Entwicklungsländern assoziiert oder darauf "eingeengt", was eigentlich schade ist, wenn man den Begriff „Entwicklung“ weiter fasst und z.B. auf das deutsche, regionale Bankwesen überträgt.

 

Gerade in Sachen:

 

- Informationstechnologie von Banken allgemein


- Selbstentwicklung von elektronischen Bank-Dienstleistungen


- Selbstversorgung der lokalen, regionalen, gemeinnützigen Organisationen und Institutionen durch "angepasste" Sammel- und Verteilungssysteme


- Selbstverwaltung und Selbstregulierung dieser regionalen (Sub)Systeme


usw.

 

ist Deutschland meiner Meinung nach derzeit als Entwicklungsland einzustufen.

 

Die Schwierigkeit, die sich ergibt wenn man Mikrospenden-Subsysteme mit dem Konzept der "angepassten Technologie" in Verbindung bringt, besteht meines Erachtens nach erst einmal darin, dass z.B. regionale Banken bzw. deren IT-Dienstleister eine Technik einsetzen, die nicht dafür bestimmt und vorgesehen ist, von „außenstehenden“ Menschen (mit)entwickelt, kontrolliert, reguliert oder (mit)verwaltet zu werden. Darüber hinaus ist diese Technologie weder von geringer Größe („smallness“) noch von „Einfachheit“ (Simplicity) gekennzeichnet – im Gegenteil.

 

Joseph Weizenbaum hat damit, als er die Informationssysteme von Banken charakterisiert hat, wohl eher das Gegenteil von "angepasster Technologie" beschrieben:

 

"Die inzwischen riesigen, polypenhaft verzweigten Informationssysteme der (…) Banken oder Versicherungen vergleicht Weizenbaum mit den "favelas" von Rio de Janeiro, jenen chaotisch wuchernden, immer wieder neu zusammengeflickten Hüttensiedlungen, in denen sich nicht einmal die Eingeborenen richtig auskennen. Es sei schlechthin unmöglich, meint Weizenbaum, die ähnlich komplexen, gleichfalls ständig durch Flickwerk veränderten Computersysteme quasi abzureißen und übersichtlich wieder aufzubauen: Sie können nur stillgelegt werden - oder sie müssen mit ihren unausrottbaren Mängeln weiterexistieren, bis sie eines Tages zusammenbrechen."

 

In der bildhaften Darstellung Weizenbaums findet sich so ziemlich das Gegenteil dessen, was Schumacher vor Augen hatte, als dieser „small“ und „beautiful“ in Beziehung zueinander setzte.

 

"Das System der Natur von welcher der Mann ein Teil ist, tendiert dazu, sich selbst im Gleichgewicht zu halten, sich selbst zu regeln, selbst zu säubern. Bei der Technologie ist das nicht so."

 

„Selbstregulierung“, „Selbstverwaltung“, „Selbstentwicklung“, „Selbstversorgung“ oder wie man die großen "Selbst" auch nennen möchte. Nicht nur Schumacher sondern auch Dickson und viele Andere haben sich mit Fragen auseinandergesetzt, die sich darum drehen, inwieweit sich in Technologien die Bedürfnisse der Menschen widerspiegeln bzw. inwieweit Technologie wertebildend eingesetzt wird und von wem. So meint Dickson,

 

„(...) dass jede Technik Werte enthält, und dass diese Werte von der führenden Schicht der Gesellschaft bestimmt sind. Angepasste Technologie soll dem Mensch hingegen mehr Einfluss auf das eigenen Leben und auf die eigene Arbeit geben.“

 

„Werte schaffen Werte“ und das regionale Banken bzw. deren IT-Dienstleister bis heute elektronische Mikrospenden-Subsysteme nicht einsetzen zeigt, dass es wohl noch ein längerer Weg sein wird, hin zum Bankkunden der Marke „Selbst“.

 

 

Zur Vertiefung:

 

Sendung des BR zum 100 Geburtstag von Ernst Friedrich Schumacher

 

 


Einen Kommentar hinterlassen

(*) = Pflichtfelder.
HTML-Code ist erlaubt.