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Montag, den 23. April 2012 um 09:22 Uhr

Über die Verknüpfung von technischer und sozialer Infrastruktur: Was würde F.W. Raiffeisen heute machen?

Geschrieben von  connormarc

Durchschnittlich 80.000 Menschen werden derzeit täglich zu Kleinspendern an extra für diesen Zweck modifizierten Kassen im Land. „Was einer allein nicht schafft, das schaffen Viele“ – Es scheint, als hätte die ursprünglich genossenschaftliche Idee neue Erscheinungsformen für sich entdeckt. Das mag nicht verwundern, denn auch einer der Gründungsväter des Genossenschaftswesens, Raiffeisen, konnte damals nicht ahnen, dass 2012 die genossenschaftliche Idee u.a. vor erweiterten, technologisch bedingten Herausforderungen stehen wird.

 

 

 

Wenn Viele etwas schaffen wollen und sollen, dann, so eine Grundbedingung, sollte der infrastrukturelle Rahmen für „die Vielen“ auch möglichst förderlich gestaltet sein. Damals wie heute war dem so und damals wie heute spielt dabei Infrastruktur eine große Rolle. Und wo Raiffeisen u.a. durch Straßenbau Menschen und deren Waren „auf den Weg“ brachte liegt die Herausforderung im regionalen Bankwesen heute u.a. darin, die technische Infrastruktur für regionales, gemeinwohlorientiertes Sammeln und Finanzieren im Sinne eines stetig wachsenden Partizipationsbedürfnisses von Menschen weiter auszubauen.

 

Nicht unbedingt eine leichte Aufgabe.

 

Denn enger denn je liegen technische und soziale Infrastruktur zusammen, beeinflussen und bedingen einander. Und größer denn je sind die Chancen, durch langfristige Modifikationen der weitgehend zentralisierten, technischen Infrastruktur die regionale soziale Infrastruktur zu fördern oder positiv zu entwickeln.

 

Es mag sein, dass der ursprüngliche Sinn und Zweck einer Genossenschaftsbank nicht darin liegt, elektronische Sammelsysteme zu implementieren, um Kunden in die Lage zu versetzen, gemeinsam Geldmittel für soziale Belange vor Ort aufzubringen. Aber im Kern umfasst die genossenschaftliche Idee eben auch dies bzw. lässt sich zumindest auf diesen erweiterten Zweck anwenden.

 

„Was einer nicht schafft, das schaffen Viele“

 

Ideen sind universell, manchmal verselbständigen sie sich und finden Wege des Ausdrucks, auch unabhängig ihres gedanklichen Ursprungs. Banken und deren IT-Dienstleister, so die These, sind derzeit (noch) nicht in der Lage, die genossenschaftliche Idee mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie im Sinne eines "Aufbringen von Geldmitteln durch möglichst Viele" zu verknüpfen.

 

Sie werden ihre Gründe haben, über die allenfalls spekuliert werden kann.

 

Die Frage nach dem Warum? oder Warum nicht? führt also grundsätzlich auf unsicheres und äußerst spekulatives Terrain. Klarer kann sich schon heute die Antwort auf die Frage nach dem Wie? darstellen

 

Wie wird eine Bank angesehen, die ihren Kunden mittelfristig nicht die technologisch-infrastrukturell bedingte Möglichkeit erschließt, gemeinsam und auf möglichst einfachem Wege „Wert“ zu schaffen und damit die (regionale) soziale Infrastruktur subsidiär zu fördern.

 

Lothar Lochmaier findet für die Option der Beibehaltung des Status quo deutliche Worte:

 

"Jene Bank, die in zwei bis vier Jahren keine externen Funktionalitäten in Richtung Crowdfunding an die eigenen IT-Systeme angedockt hat, wird als überkommen angesehen."

 

In der von Lochmaier unlängst erstellten Umfrage gehen, in den (wenigen) Kommentaren, die Meinungen zu diesem Thema auseinander.

 

„Nun, dass – und warum es – für Banken oft nicht rational ist, disruptive Innovationen in ihren Organisationsstrukturen und abgeschirmten IT-Landschaften umzusetzen, hat James Gardner sehr lesenswert in seinem Buch “Innovation and the Future Proof Bank beschrieben”

 

Eine vielsagende Einschätzung, auch ohne das Buch von Gardner im Detail studiert zu haben. Die Rede ist hier von rationalem Handeln bzw. Rationalität, also von der absichtlichen Auswahl von und der Entscheidung für Gründe, die als vernünftig gelten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zumindest wenn man der Beschreibung der Wikipedia folgt.

 

Die Frage, die sich unweigerlich stellt ist die nach dem „bestimmten Ziel“ von Banken, das es zu erreichen gilt und das der Umsetzung von o.g. Innovationen unter Umständen im Weg stehen kann.

 

Damit stellt sich die Frage nach dem Ziel von Banken im Allgemeinen und damit auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Gemeinwohlorientierung und einem profitablen Einsatz der Innovation:

 

„Könnte nicht auch die Bank davon profitieren, wenn sie Crowdfunding als produktiven Bestandteil der eigenen Produktphilosophie ansähe?“ (Lothar Lochmaier)

 

Anders gefragt:

 

Kann in Zeiten, in denen sich die technische und die soziale Infrastruktur so nah und doch so fern zueinander befinden, die genossenschaftliche Grundidee eine erweiterte Ausdrucksform erlangen, von der letztlich möglichst Viele profitieren?

 

Eben diese Frage gilt es zu klären und es wird weitaus mehr als eine Umfrage benötigen, sie aus dem Spannungsfeld zwischen technologischer Zentralisierung und einem vorhandenen (menschlichen) Bedürfnis nach Regionalisierung heraus zu beantworten.

 

 

Zur Vertiefung und Unterhaltung:

Die Gründungsväter des Genossenschaftswesens kommen im Jetzt an (Clip)

James Gardner: "Innovation and the Future Proof Bank"

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