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Montag, den 05. Juli 2010 um 10:17 Uhr

Mikrospenden und Social Banking?

Geschrieben von  connormarc

In den letzten Tagen haben mich mehrere Menschen telefonisch, via Mail, Facebook und Twitter und in zahlreichen persönlichen Gesprächen im Stadtgarten darauf aufmerksam gemacht, dass hier im Blog der Eindruck entstehen könnte, ich wäre Banken gegenüber geradezu "feindselig" eingestellt. Dem ist nicht so, ich bin sogar selbst Kunde einer Bank.

Aber kritisch und auch sehr kritisch werde ich meistens dann, wenn ich merke, dass meine Kundenwünsche (aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen) in die Leere laufen und wenig bis kein lebendiger Dialog zwischen Kunde (mir) und Organisation (Bank) zu Stande kommt.

 

Und dabei möchte ich nicht unbedingt viel von meiner Bank.

 

Ich gehöre z.B. nicht zu den Menschen, die neuerdings verstärkt ein sog. "Social Banking" einfordern (schon wieder so ein schillernder Begriff, um den es eigentlich in diesem Beitrag gehen soll). Ich backe da eher kleine, regionale Brötchen (Regionaler Denkansatz, Mikrospenden, kleines Subsystem im Zentralrechner...alles irgendwie klein und überschaubar)

 

Mein ganz konkreter Wunsch als Bankkunde:

 

Ich möchte für den Jugendtreff in dem ich arbeite zum Mikrospender werden. Dafür werde ich erst einmal ein Sammelkonto bei meiner Bank eröffnen. Dann sollte mir die Bank automatisch und regelmäßig, 4 Mal im Monat, die bei mir an diesen 4 Sammeltagen jeweils vorhandenen Cent-Beträge als Mikrospenden auf dieses Sammelkonto buchen. Mehr nicht, aber eben auch nicht weniger (wenn sie dabei dann doch, Schritt für Schritt, ein "Social Banking" einführt macht das natürlich gar nichts, im Gegenteil).

 

Was aber ist denn nun "Social Banking" und hat das überhaupt etwas mit Mikrospenden zu tun?

 

Leider bin ich alles andere als ein kompetenter Ansprechpartner für "Social Banking". Wenn sie noch nicht wissen was Social Banking ist und vielleicht Fragen haben, stellen sie diese besser direkt an Menschen, die sich damit auskennen, wie z.B. Sven Remer, der in Bochum, am Institut für Social Banking, (Social?) Banker ausbildet und hier das Prinzip des Social Banking erläutert.

 

Im Interview verdichtet Remer "Social Banking" in folgender Erläuterung:

 

"Also in der Tat, Social Banking ist natürlich auch ein Kunstbegriff, an dem sich viele Leute, inklusive mir, meine Kollegen, immer wieder mal stören, weil er nicht flüssig zu erklären ist. Im Gegenteil, er ruft eher dazu auf, sich Gedanken zu machen: Wie passen diese beiden Begriffe "social" und "banking" zusammen? Die meisten denken, es passt nicht, wir gehen davon aus, dass es doch passt und wir würden, vereinfacht ausgedrückt, sagen: Social Banking ist ein Bankwesen, das den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt und sich als Bankwesen wiederum wirklich als Dienstleister versteht."

 

Ich bin der Meinung, der letzte Satz ist zentral. Diesen würde ich zwar so nicht unterschreiben aber ich stimme Sven Remer in seiner Aussage zu, dass es sich bei Social Banking um einen Kunstbegriff handelt, an dem sich viele Leute (ihn selbst und seine Kollegen eingeschlossen) immer wieder mal stören, weil er nicht flüssig zu erklären ist.

 

Mich stört der Begriff auch öfter mal, gerade deshalb weil er nicht flüssig zu erklären ist.

 

Aber Kunstbegriff ist eben Kunstbegriff und Remer eröffnet in seiner Begriffserklärung doch eine ungemein interessante Perspektive:

 

Stellen sie sich mal ein Bankwesen vor, das den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt und sich als Bankwesen wirklich als Dienstleister versteht.

 

Fertig vorgestellt?

 

Nach einer schlaflosen Nacht, in der ich rund um die Uhr versucht habe, mir diese Vorstellung "schön" zu denken habe ich nun heute morgen endgülitg kapituliert. Es geht einfach nicht, ich gebe auf.

 

Ein Bankwesen, das den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt fordert heraus sich darüber Gedanken zu machen, welche Bedürfnisse "dem Menschen" überhaupt zu Grunde liegen (ist zumindest meine Meinung).

 

Das Beste was bei diesem Gedanken rumgekommen ist, ist die sog. "Social Bank 2015", mit ganz viel Glasanteil in der Fassade (Transparenz), immerfreundlichen Bankangestellten, die permanent kostenlos Bionade und Öko-Cola ausschenken (Öko-Cola in der extra eingerichteten Kinderecke in der Filiale) sowie ganze Wände voller Infobroschüren mit "ethischen" Geldanlagen in aller Welt (schließlich haben wir ja Globalisierung) in den Farben hellgrün, hellblau und violett.

 

Parallel kann man dann irgendwo noch was mit Facebook, Twitter, Youtube und Google auf der bankeigenen Homepage machen (z.B. kann man die Hintergrundfarbe seiner laufenden Umsätze variabel ändern und sich auch mit Freunden über deren aktuellen Kontostände unterhalten).

 

Ist das nicht die optimale Bank, die die Bedürfnisse ihrer Kunden in den Mittelpunkt stellt?

 

a.

Das Bedürfnis nach Transparenz

 

b.

Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Herzlichkeit

 

c.

Das Grundbedürfnis nach Essen und Trinken

 

d.

Das Bedürfnis nach Ästhetik, vermittelt durch bunte Farben

 

d.

Das Bedürfnis nach dem guten Gefühl, wenn ich gerade eine "ethisch" wertvolle Geldanlage in Mpumalanga getätigt habe und der bestens informierte Social Banker mir versichert, dass das alles ganz ganz großartig ist

 

Und fertig ist die schöne, neue Bankenwelt (hinter deren Glasfassaden aber immer noch die Rechenzentren "business as usual" betreiben).

 

Mal Klartext. Wenn schon "Social Banking" dann aber bitte nicht ohne partizipative Technikgestaltung bis direkt hinein in die Schaltzentrale, das Rechenzentrum einer Bank. Und da wären wir bei einem kleinen Problem angelangt:

 

Ist Technikgestaltung ein Bedürfnis von Bankkunden oder überlassen sie das nicht lieber dann doch den Profis, also den Angestellten der Bank, die sich damit auskennen und die mit Sicherheit auch viele Jahre dafür auf einer Schulbank gesessen sind. Vom späteren Studium und den zahlreichen Praktika ganz zu schweigen.

 

Und an diesem Punkt trennen sich die gedanklichen Wege zwischen mir und Sven Remer. Ich nehme den Weg, der über eine laufende Technikgestaltung bis direkt hinein in das Bankrechenzentrum führt. Denn hier spielt die Musik und nicht (nur) im ansprechend gestalteten Vorraum der Bankfiliale oder der multimedial aufbereiteten Bank-Website. Armin Grunwald hat das, meines Erachtens nach, ganz treffend formuliert:

 

"Gesellschaftliche Werte und Normen werden durch neue Technik herausgefordert und möglicherweise verändert. Technik kann gesellschaftlich akzeptiert werden, auch wenn sie zunächst mit Werten kollidiert, wenn nämlich durch Technik gerade diese Werte verändert werden" (Grunwald 2003: S.10)

 

2 "große" Sätze, die meines Erachtens nach viel sagen.

 

Solange die Bank die Bedürfnisse ihrer Kunden in den Mittelpunkt stellt wird alles bunter, netter, freundlicher, scheinbar ethischer und transparenter. Das Infragestellen von Technik ist ein Bedürfnis der meisten Menschen NICHT (wenn ich mich in diesem Punkt irre, boykottieren sie mich).

 

Nein, die Bank ist für mich aufgerufen, sich einem regionalen Denkansatz gegenüber zu öffnen und ihren Kunden einen Teil ihrer technischen Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, mit der diese selbst Finanzströme, auf einfach Art und Weise generieren und "lenken" können (siehe hierzu: das Konzept der regionalen Mikrospenden in diesem Blog).

 

Und für mich persönlich ist die Social-Bank 2.0 diejenige, die mir ermöglicht, dass mir regelmäßig und automatisch (4 Mal im Monat) meine Cent-Beträge als Mikrospenden auf ein Sammelkonto gebucht werden. Nicht mehr aber auch nicht weniger.

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