Du bist hier: Home - Tagebuch - Jenseits von Afrika liegen Wolpertswende und Bodnegg
Montag, den 11. April 2011 um 21:07 Uhr

Jenseits von Afrika liegen Wolpertswende und Bodnegg

Geschrieben von  connormarc

Der aktuellen Marketing-Image-Kampagne der genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken „Werte schaffen Werte“ verleiht Ulrich Wickert sowohl Gesicht als auch den werbewirksamen Inhalt in Wort, Bild und Ton, also quasi „in Youtube“.

Auf mich wirken die Clips schon aus dem Grunde faszinierend, da nicht nur jeder Satz sondern vielmehr jedes Wort sowie auch das Unausgesprochene schon deshalb Außenwirkung und "Strahlkraft" besitzt, als dass es sich eben nicht um einen Spot für ein lokales Sonnenstudio sondern um eine Art strategischer (Werte)Positionierung der Finanzgruppe Volksbanken und Raiffeisenbanken handelt. Mag sein, dass ich hier total überreagiere. Vielleicht verstehe ich das Ganze auch nicht. Beides ist möglich und sogar wahrscheinlich.

 

Kein Mensch hat wohl damit gerechnet, dass sich Ulrich Wickert zum Banking-Tagesgeschehen äußert und es hätte mich mehr als verwundert, wäre der Begriff "Bank" oder auch „Spenden“ in diesem Zusammenhang gefallen. Konkretes verweist in diesem Rahmen und der gebotenen Kürze der Zeit ohnehin zu jeder Sekunde auf das „Große Ganze“. Es geht hier um nicht weniger als um Wickerts Vorstellungen von „Verantwortung“, „Fairness“, „Partnerschaftlichkeit“, „Respekt“ und „Solidarität“. Meta-Bergrifflichkeiten bzw. Wertvorstellungen, die sich mit denen der Gruppe Volksbanken Raiffeisenbanken decken sollten bzw. decken. Schließlich wird hier auch nicht der nächstbeste Trend an die werbewirksame Glocke gehängt sondern Werte definiert, die wiederum Werte schaffen sollen.

 

Hier zählt, wie gesagt, jedes Wort, jede Geschichte, jeder Verweis auf etwas Größeres. So groß wie z.B. Afrika. Und gefühlt für mich auch genauso weit weg von mir und hier.

 

Aufgefallen ist mir "Afrika" im Clip, in dem sich Ulrich Wickert in 136 Sekunden auf den Wert „Verantwortung“ bezieht, einen Wert, dem ich als Kunde einer regionalen Bank schon eine besondere Aufmerksamkeit schenke. Volksbanken und „ihre“ Region und ein Bewußtsein für „Verantwortung“ sowohl der Menschen vor Ort als auch ihrer Bank. Ein starker „Leitwert“, der die Wahrnehmung der Bankengruppe nicht wenig beeinflussen kann. Das muss sitzen. Und dann kommt eben "Afrika".

 

Ab der Minute 1:09 und damit im (oftmals) bedeutendsten, da letzten Satz, führt Wickert aus:

 

„Für mich sind die Menschen, die sich selbst aufgeben um dann sagen wir mal in Afrika ein Krankenhaus zu leiten oder so was die größten Helden überhaupt, weil die übernehmen Verantwortung und geben sehr viel aus dem eigenen Leben auf, um Anderen zu helfen.“

 

Hier sind sie also, die „Helden“ für Afrika mit der tendenziellen Selbstaufgabe zum Wohle Anderer, Benachteiligter im Gepäck. Keine Worte findet Wickert in diesem Zusammenhang für bürgerschaftliches Engagement im unmittelbaren Umfeld von Banken, vor Ort, in den Städten und Gemeinden "um die Ecke", was ich persönlich bedauernswert finde, denn Banken und „Hilfe für Afrika“ hätte hier erweitert werden können um den Aspekt: Jeder Mensch kann vor Ort und zu jeder Zeit zum Helden werden und die Bank unterstützt ihn dabei mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln“.

 

Nun ist es eben dann doch die „Beinahe-Selbstaufgabe“ und „Afrika“ geworden. Hohe Hürden für den Einzelnen, dann doch noch irgendwann einmal in seinem Leben zum Helden nach Wickert'scher Vorstellung zu werden. Und was ist schon die Hilfsbedürftigkeit von Afrika gegenüber dem Bedarf finanzieller Mittel eines kleinen Vereins in der Nachbarschaft...man kennt das. Diese Art der Verantwortung ist eben nur etwas für "echte Helden", also Andere als ich selbst. Schade.

 

Nächster Clip, nächste Chance:

 

„Hilfe zur Selbsthilfe“ könnte Afrika wieder näher an die hiesigen Gefilde rücken. Aber auch im Zusammenhang mit diesem Wert aller wertvollen Werte der Volks- und Raiffeisenbanken verlässt Ulrich Wickert den Nahraum und das Projekt „nebenan“, wenn er aufsführt:

 

„Als Beispiel kann ich vielleicht nehmen, dass es eine Schülerorganisation gibt, die heißt: Schüler Helfen Leben und das ist etwas ganz Fantastisches. Also diese jungen Leute veranstalten einmal im Jahr den sog. Sozialen Tag. An dem nehmen etwas tausend Schulen teil, hunterttausend Schüler. Die gehen einen Tag arbeiten und da kommen, so im Schnitt, anderthalb Millionen Euro zusammen, die dann zum Teil in eine Stiftung gehen und zum Teil direkt in irgendwelche Jugendhilfsorganisationen im Kosovo, in Bosnien.“

 

Den Rest erspare ich mir an dieser Stelle, denn warum Wickert beim Thema "Hilfe zur Selbsthilfe" gegen Ende ausgerechnet den Verweis auf eine finanzielle Hilfe ausspart, wird mir wohl noch lange ein Rätsel bleiben. Wiederum schade, dass somit Themen wie „Mikrokredite“, „Mikro- oder Kleinstspenden“, "Bank-Crowdfunding" bzw. insgesamt nachhaltige, regionale Geldanlagen nicht einmal zwischen den Zeilen anklingen können.

 

Stattdessen also der Sprung vom afrikanischen Krankenhaus zu den Hilfsorganisationen im Kosovo und in Bosnien. Am nächsten an den Volks- und Raiffeisenbanken ist vielleicht noch die große Jugendorganisation, die evtl. ihr Sammelkonto bei einer dieser Banken ihr Eigen nennt. Aber auch diese ist mit ihren anderthalb Millionen Euro gefühlt weit weg von mir.

 

Keine Frage, Werte wie „Verantwortung“, „Solidarität“ und „Hilfe zur Selbsthilfe“ usw. sind universell und sollten bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefordert, gefördert, verteidigt oder wasweißichnichtwas werden. Aber jenseits von Afrika liegen die Gemeinden Wolpertswende und Bodnegg. Hier gibt es Helden und Banken und das, was beide tagtäglich vor Ort daraus machen oder machen könnten. Dies sollte man nicht vergessen, auch wenn man über universelle Werte spricht. Aber vielleicht habe ich einfach auch (noch) nicht alle Clips gesehen...

Einen Kommentar hinterlassen

(*) = Pflichtfelder.
HTML-Code ist erlaubt.